Seite 28 - Schumpeter School Alumni e.V. Jahresmagazin 2012

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Schumpeter School of Business aND ECONOMICS / WISSENSCHAFT AUS AKTUELLEM ANLASS
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kommensteuer diesem erhöhten Bedarf anzupassen sind.-3-
Ein hoher Anteil am Budget einkommensschwacher Haus-
halte entfällt auf Nahrungsmittel. Unter Beachtung von Ver-
teilungseffekten ist es daher angemessen, hierfür einen
reduzierten Mehrwertsteuersatz anzuwenden. Fraglich ist
allerdings, ob dies für alle Nahrungsmittel gelten muss, denn
allein aus der Zuordnung zur Kategorie „Nahrungsmittel“
kann weder geschlossen werden, dass die Speisen existen-
ziell notwendig sind, z.B. Popcorn im Kino oder der Hambur-
ger vom Schnellimbiss, noch, dass sie begünstigt besteuert
werden, z.B. Mineralwasser oder aber der Hamburger im
Schnellimbiss. Dem Gesetzgeber steht es allerdings frei zu
bestimmen, auf welche Speisen er den regulären Mehrwert-
steuersatz anwendet, denn das Unionsrecht besagt lediglich,
dass die EU-Mitgliedstaaten dazu berechtigt sind, auf die im
Anhang III zu Art. 98 MwStSystRL aufgeführten Leistungen
einen reduzierten Mehrwertsteuersatz anzuwenden, jedoch
nicht dazu verpflichtet. Insbesondere die unterschiedliche
Besteuerung von verzehrfertigen Speisen, sprich von Res-
taurantleistungen und Speisen zum Mitnehmen, führt zu viel-
fältigen Abgrenzungsproblemen, wie nachfolgend verdeut-
licht werden soll.
2. Anwendung des Normalsteuersatzes auf die Darrei-
chung verzehrfertiger Nahrungsmittel
Verzehrfertige Nahrungsmittel werden in unterschiedlichen
Formen angeboten, z.B. in Bäckereien, in Schnellrestaurants
oder von einem Partyservice. Nach ständiger Rechtspre-
chung ist für die Frage, ob der Umsatz als begünstigte Liefe-
rung von Gegenständen, sprich Essen zum Mitnehmen, oder
normal besteuerter Dienstleistung, d.h. Restaurantleistung,
einzuordnen ist, das Wesen des Vorgangs relevant. Dieses
ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln, wobei
die Sicht des „Durchschnittsverbrauchers“-4- maßgebend
sein soll. Bei ihr handelt es sich um eine fiktive Person, die
bei komplexen Sachverhalten von den Gerichten gerne zur
Entscheidungsfindung hinzugenommen wird, um den „nor-
malen Menschenverstand“ zu fingieren. Im konkreten Fall
muss der Durchschnittsverbraucher beurteilen, ob bei der
Speiseabgabe das Dienstleistungselement qualitativ über-
wiegt, d.h. inwieweit eine Besteuerung mit 7 % „im Stehen“
und 19 % „im Sitzen“-5- gerechtfertigt erscheint. Dies wird
nachfolgend näher betrachtet.
2.1 Imbissstände und Take-Away-Leistungen
Die Abgabe von verzehrfähigen Speisen stellt laut ständiger
Rechtsprechung-6- immer dann eine reduziert zu besteu-
ernde Lieferung dar, wenn keine Restaurantleistung vorliegt.
Charakteristische Dienstleistungsbestandteile eines Restau-
rantumsatzes sind die Beratung, Weiterleitung der Bestel-
lung, Präsentation und Darreichung der Speisen an den Kun-
den am Tisch unter Bereitstellung von Geschirr und Besteck
in temperierten Räumen, die über Mobiliar, eine Garderobe
und Toiletten verfügen. Liegen einzelne Wesensmerkmale
der „restauranttypischen“ Kriterien nicht vor, soll es sich um
die ermäßigt besteuerte Lieferung verzehrfertiger Speisen
handeln. Diese Vorgehensweise ist nicht unproblematisch,
denn alle Formen der Darreichung verzehrfertiger Speisen
weisen vielfältige Gemeinsamkeiten auf. So ist Schnellimbis-
sen und Restaurantbetrieben gemein, dass die Speisen bzw.
Mahlzeiten durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige
Weise zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind.-7- Da-
her ist zu klären, in welcher Ausprägung zusätzliche Service-
elemente angeboten werden müssen, damit die Darreichung
von begünstigt besteuerten Speisen als normalbesteuer-
te Dienstleistung zu werten ist. Es stellt sich die Frage, ob
eine Beratung bereits stattfindet, wenn der Kunde nachfragt,
ob die Speisen Bestandteile enthalten, auf die er allergisch
reagiert und überwiegt das Dienstleistungselement, wenn
hierauf individuell reagiert wird? Genügt die zur Verfügung-
stellung von geheizten Räumen oder müssen darüber hinaus
auch noch Toilettenanlagen vorhanden sein? Mit Ausnahme
von Imbissständen im Freien gehört es in unseren Breiten-
graden zum normalen Standard, dass Abgaberäume beheizt
sind. Inwieweit Toiletten vorhanden sein müssen oder nicht,
wird in den einzelnen Bundesländern durch die jeweilige
Gaststättenverordnung geregelt.
In der aktuellen Rechtsprechung von EuGH und BFH-8- hat
sich als das wesentliche Abgrenzungskriterium zwischen
den Darreichungsformen die standardisierte Zubereitung der
Speisen herauskristallisiert. Eine ermäßigt zu besteuernde
Standardspeise ist dann gegeben, wenn die Speisen in ei-
nem einfachen, standardisierten Verfahren zubereitet und
nur behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen vorhanden sind,
z.B. Ablagebretter. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung
gilt dies auch, wenn Stehtische bzw. Bierzeltgarnituren von
anderen Anbietern zur Verfügung gestellt werden und deren
Nutzung durch Besucher nicht ausgeschlossen ist, wie dies
z.B. in einem Fußballstadion-9- oder im Food Court eines
Einkaufszentrums der Fall ist. Nach diesen Kriterien unter-
liegen die Leistungen von Schnellimbissen dem ermäßig-
ten Steuersatz, da sie ihren Kunden vornehmlich Produkte
anbieten, die in einem standardisierten Verfahren und ohne
große Zubereitungszeit sofort gereicht werden können ohne
das notwendigerweise eine Verzehr-Infrastruktur zur Verfü-
gung gestellt wird. Anders ist dies ggf. zu beurteilen, wenn
Schnellimbisse auch einen Partyservice betreiben.
2.2 Catering- bzw. Partyservice
Die Leistungen eines Caterers bzw. Partyservices können
von der bloßen Zubereitung und Lieferung von Speisen in
verschlossenen Warmhalteschalen zu einem vom Kunden
festgelegten Zeitpunkt bis hin zu der Bereitstellung von Mo-
biliar, Personal und Geschirr inklusive Reinigung reichen.
Die zeitgerechte Auslieferung der warmen Speisen prägt
bei dieser Betriebsart den Umsatz wesentlich und ist unent-
behrlich. Nach Auffassung des FG Rheinland-Pfalz handelt