Seite 16-17 - Jahres-Magazin_2011_WEB

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In der aktuellen europäischen Schuldenkrise fragen sich viele
Anleger, wie sie ihr Geld optimal anlegen können. Vor allem
bewegt die Anleger die Frage, ob man das Geld überhaupt
noch „sicher“ anlegen kann.
In dem vorliegenden Artikel werden dem Leser zunächst
grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse zum optimalen
Anlageverhalten präsentiert (I.). Im Anschluss daran werden
vor dem Hintergrund der Schuldenkrise mögliche Inflationsri-
siken im Hinblick auf die optimale Anlagestrategie näher be-
leuchtet (II.).
I. Die empirische wissenschaftliche Evidenz zum optimalen
Anlageverhalten
Für den Anleger stellt sich zu Beginn seiner Anlagestrategie zu-
nächst eine entscheidende Frage: Versucht er den Markt zu schla-
gen, indem er sich einer kostenpflichtigen Expertise eines professi-
onellen Portfoliomanagers bedient (sog. aktiver Managementansatz)
oder versucht er, die Performance des Marktes zu erreichen, indem
er zu sehr geringen Kosten in einen gängigen Marktindex (wie z.B.
DAX-30, der die 30 größten börsennotierten deutschen Unterneh-
men enthält) investiert (sog. passiver Managementansatz)?
Im Jahr 1970 stellte der berühmte Finanzwirtschaftler Eugen Fama
die These der informationseffizienten Märkte auf. Diese besagt,
dass die Preise der Vermögensgegenstände, die in einem Markt ge-
handelt werden, alle verfügbaren Informationen widerspiegeln. Die
Anwendung dieser These hätte zur Folge, dass der aktive Manage-
mentansatz für den Anleger nur dann lukrativ ist, wenn er bzw. der
für ihn handelnde Portfoliomanager über noch bessere Informati-
onen als der Markt verfügt und dieser Informationsvorsprung die
Kosten des aktiven Managementansatzes wertmäßig übersteigt.
Die Frage der Informationseffizienz der Märkte wird in der Wis-
senschaft bis heute kontrovers diskutiert. Je nach Fallgestaltung ist
nicht auszuschließen, dass aktives Management profitabel ist. Ins-
besondere scheint sich der Effizienzgrad verschiedener Märkte zu
unterscheiden. Dies kann zur Folge haben, dass es wirtschaftlich
sinnvoller ist, auf bestimmten Märkten die passive der aktiven Ma-
nagementstrategie vorzuziehen und umgekehrt. Vor diesem Hinter-
grund könnte das Core-Satellite Konzept vorzugswürdig sein. Der
Kern (Core) des Portfolios wird durch passive Investitionen in effizi-
enten Märkten gebildet. Diese Anlagen werden mit aktiven Invest-
ments in ineffizienten Märkten (Satellites) kombiniert.
Der Nobelpreisträger William Sharpe äußerte sich zu der Diskussion
des aktiven bzw. passiven Managements wie folgt:
„Properly measured, the average actively managed dollar
must underperform the average passively managed dollar,
net of costs. “
(Unter Berücksichtigung der Kosten schneidet der durch-
schnittliche aktive Anleger schlechter ab als der durch-
schnittliche passive Anleger).
Bei der Aufstellung dieser These ging Sharpe davon aus, dass alle
Anleger an den Märkten aggregiert nur genau die Rendite des Mark-
tes erzielen können. Die Gruppe der Anleger unterscheidet sich
zwischen passiven und aktiven. Wenn nun die passiven Investoren
den Markt nachbilden und deshalb die Rendite des Marktes erzie-
len, können die aktiven Anleger im Aggregat auch nur diese Rendite
des Marktes erzielen. Dies bedeutet, dass der durchschnittliche ak-
tive Anleger maximal die von dem passiven Anleger erzielte Markt-
rendite erwirtschaften kann. Da Anleger mit beiden Management-
ansätzen im Durchschnitt dieselbe Rendite unter Vernachlässigung
von Kosten erzielen, können Renditeunterschiede nur durch die
Kosten der Strategien entstehen. Da aktives Management höhere
Kosten verursacht, muss der durchschnittliche aktive Investor unter
Berücksichtigung von Kosten schlechter abschneiden als der durch-
schnittliche passive Investor.
Dieses Ergebnis wird Jahr für Jahr wieder durch verschiedene empi-
rische Studien bestätigt, die zeigen, dass Fondsmanager mehrheit-
lich nicht in der Lage sind, ihren Vergleichsindex z.B. den DAX-30
für deutsche Standardwerte nach Kosten zu schlagen.
Autor:
Prof. Dr.
André Betzer
Lehrstuhl für
Finanz- und Bankwirtschaft
bei Schumpeter School
Alumni e.V. seit 2010
Der typische Investor (In Anlehnung an http://aktien-portal.at)
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1:Der Kurs steigt... mal den Markt beobachten
2:Der Trend hält, bei der nächsten Konsolidierung kauf ich
3: Verdammt, ich hab den Zeitpunkt verpasst; wenn ich jetzt
noch warte profitiere ich nicht mehr vom Trend
4: Zum Glück habe ich nicht gewartet
5: Ich werd die Kurskorrektur nutzen und meine Aktien ausbauen
6: Perfekt, jetzt ist der ideale Zeitpunkt zum verdoppeln
7: Sch..., sobald es wieder hoch geht, werd‘ ich die Aktien los!
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8:Der Kurs hat sich halbiert, dass ist wohl jetzt der Tiefstand
9:OK, jetzt warte ich auch noch auch die Gegenbewegung
10:Das kann doch nicht sein? Ist das rechtens?
11:Schluss, ich verkaufe und fass nie wieder eine Aktie an!
12: Ein Glück, ich war clever genug, alles loszuwerden.
13:Es wird weiter nach unten gehen.
14:siehste...
15:Was ist da los?
16: Ist DAS jetzt rechtens?
17: Diese unwissenden Aktienkäufer...
18: Was soll‘s. Ich steig wieder ein, immer-
hin ist der Kurs niedriger als beim
letzten Mal !
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Anlageverhalten in der Schuldenkrise
Schumpeter School of Business aND ECONOMICS / WISSENSCHAFT - AUS AKTUELLEM ANLASS
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Schumpeter School of Business aND ECONOMICS / WISSENSCHAFT - AUS AKTUELLEM ANLASS
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Was bedeutet das für den nicht-professionellen Privatanleger?
Privatanleger, die sich nicht wie professionelle Anleger täglich mit
den Kapitalmärkten beschäftigen, sollten bei Ihren Anlagen auf die
Kosten des Anlageproduktes achten und z.B. hohe Ausgabeaufschlä-
ge bzw. Managementgebühren bei Fonds meiden. Hier bieten sich
klassische (nicht synthetische) börsengehandelte Indexfonds (Ex-
change Traded Funds, ETFs) an, die eine für den Anleger sehr nied-
rige und transparente Kostenstruktur haben.
Zudem bleibt die Empfehlung, die sich von der in den 50er Jah-
ren vom Ökonomie-Nobelpreisträger Harry Markowitz entwickel-
ten formalen Portfoliotheorie ableiten lässt, auch in der aktuellen
Schuldenkrise relevant: Nur eine breite Diversifikation der Anlagen
schützt den Anleger vor unsystematischen Risiken und sorgt für ei-
nen ruhigen Schlaf!
II. Die Folgen der Schuldenkrise auf die optimale
Anlagestrategie
Wie bei jeder Anlageentscheidung steht der Investor buchstäblich
vor der Qual der Wahl, denn er hat die Möglichkeit, in eine Vielzahl
von Vermögensklassen zu investieren. Orientierungshilfe in den
verschiedenen Vermögensklassen bietet zunächst eine Unterschei-
dung zwischen Sach- (z.B. Aktien von Unternehmen, Immobilien
und Rohstoffe) und Geldwerten (z.B. Sparbriefe, Guthaben auf Ta-
gesgeldkonten sowie Staatsanleihen).
Die Entscheidung, ob eine Investition in Geld- oder Sachwerte er-
folgt, sollte auch durch die Einschätzung zukünftiger Inflationsten-
denzen geprägt sein. Die Einschätzung der Entwicklung der Kauf-
kraft des Geldes wird derzeit unter dem Aspekt der Verschuldung
der EURO – Mitgliedsländer erschwert.
Vor diesem Hintergrund soll die Frage erörtert werden, welche
möglichen Szenarien der Entschuldung samt ihrer Folgen bestehen
können: Den Staaten stehen zur Entschuldung zwei Möglichkeiten
zur Verfügung. Zum einen der Weg des sog. „Haircut“ bzw. der Um-
schuldung und zum anderen der Weg der sog. „schleichenden Ent-
schuldung“.
Der „Haircut“ würde die aktuellen Investoren in Staatsanleihen di-
rekt und hart treffen, da diese auf ihre Ansprüche zumindest zum
Teil verzichten müssten.
Der andere Weg, die „schleichende Entschuldung“, sieht vor, dass
die Schuldenstaaten ihre Zinsen niedrig halten bzw. die EZB durch
Maßnahmen wie u.a. die Aufkäufe der sehr riskanten Staatsanleihen
die Inflation zumindest moderat ansteigen lässt. Diese Kombination
aus niedrigen Zinsen und einer hohen Inflationsrate sorgen dafür,
dass die Staatsverschuldung „schleichend“ abgebaut wird. An der
aktuellen Rendite für einjährige deutsche Staatsanleihen von ca. 0,1
% und der Inflationsrate von aktuell ca. 2,4 % lässt sich zeigen, dass
der zweite Weg der Entschuldung schon beschritten wird (Stand:
Dezember 2011). Diese gewählte Strategie der Entschuldung ist für
eine Regierung sehr komfortabel, da Gehälter nominal weiter steigen
aber real die Kaufkraft abnimmt und der Wähler den realen Vermö-
gensverlust im Gegensatz zum „Haircut“ nicht bewusst wahrnimmt.
Aus diesem Grund muss die regierende Partei auch nicht befürch-
ten, bei der nächsten Wahl abgestraft zu werden. Unter anderen ha-
ben die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien diesen
Weg nach dem Zweiten Weltkrieg gewählt, was dazu geführt hat, dass
sich die reale Verschuldung der beiden Länder in dieser Zeit subs-
tantiell reduziert hat. Dieses Szenario scheint also realistisch und
spricht dafür, dass die Inflation mittelfristig weiter ansteigen wird.