Seite 44 - Schumpeter School Alumni e.V. Jahresmagazin 2010

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Schumpeter School of Business and Economics/Wissenschaft - aus aktuellem Anlass
(3) Der Verzicht des Staates in den Industrie- und Schwellenländern, von den
Atomstromproduzenten auch nur wenigstens eine 50%-Absicherung für einen
möglichen Super-GAU zu verlangen, läuft auf eine gigantische Schattensubventi-
onierung hinaus. Sie verzerrt komplett die relativen Preise konkurrierender Ener-
gieträger am Strommarkt. In Deutschland und vielen anderen OECD-Ländern
wird etwa relativ risikolose Windstromerzeugung mit erheblichen Subventionen
aus dem Staatshaushalt bedacht; müssten sich die Atomstromunternehmen eine
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Windkraft ohne jede Subventionierung wettbewerbsfähig. Die dann eingesparten
Milliardenbeträge könnten sofort als Steuersenkung an die Steuerzahler/innen
ausgeschüttet werden - in Deutschland geht es mittelfristig um mehr als 4 Mrd.
€ bzw. 100 € pro Haushalt und Jahr. Die gigantischen Schattensubventionen für
die Atomstromwirtschaft in den EU-Ländern sind faktisch ein Verstoß gegen den
Geist der EU-Beihilfenaufsicht; die Europäische Kommission und das Europäi-
sche Parlament sollten dieser Problematik nachgehen.
(4) Wer behauptet, dass Atomstromproduktion eine günstige Stromversorgung
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und Schwellenländern -, der ignoriert grundlegende marktwirtschaftliche Prinzi-
pien und bürdet künftigen Generationen enorme Risiken auf: Atomstromproduk-
tion ist eine potenziell sehr schwere Belastung der Generationengerechtigkeit.
Denn mit welchem Recht könnte wohl die gegenwärtige Generation billigen
Atomstrom nutzen wollen, dessen Folgekosten im Fall eines schweren künftigen
Störfalls in einem Atomkraftwerk spätere Generationen mit hohen Zahlungsver-
4B$3!*1&%"&'C08,'71#3!'!5!"'T"#.I%"&993!)7"&'C"/:9*"&O'N*5.9*#5.4#571+-
tion ist aus ökonomischer Sicht eine hochgradig spekulative Billigproduktion,
die mit sehr großen künftigen Risiken verbunden ist - inklusive solchen aus der
Endlagerung abgebrannter Brennstäbe.
(5) Die künstliche Verbilligung von Energie durch Atomstrom (mit absurd nied-
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Expansion von energieintensiven Industrien geführt. Das wiederum bedeutet, dass
der angeblich so klimafreundliche Atomstrom - mit geringen CO2-Emissionen in
der Produktion von Atomstrom - in Wahrheit global zu erhöhten Treibhausgas-
emissionen führt. Die analytisch sinnvolle Gesamtbetrachtung von direkten und
indirekten Effekten der Atomstromproduktion ergibt eindeutig als Ergebnis, dass
Atomstromproduktion insgesamt außerordentlich klimaschädlich ist. Dies wird
sehr deutlich, wenn man sich vorstellt, dass bei korrekter Risikobepreisung bzw.
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Ersatzenergieträger auf mittlere Sicht ist. Wenn man durch Übergang zu einem
korrekten Preissystem mit Internalisierung externer Effekte der Atomstrompro-
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schaft in einen Zustand bringt, dass Atomkraftwerke ökonomisch ebenso abge-
schrieben werden müssen wie ein Teil der relativ energieintensiven Produktion
- sie hat sich im Windschatten künstlich billigen Atomstroms entwickelt -, dann
ist das eine ökonomisch sinnvolle Korrektur eines jahrzehntelangen Systemfeh-
lers der Wirtschaftspolitik. Ein über ein bis zwei Jahrzehnte gestreckter Ausstieg
aus der Atomenergie bzw. eine entsprechende Energiewende hin zu erneuerbaren
Energien kann die Anpassungskosten über die Zeit verteilen; zugleich werden
starke Anreize für energiesparende Innovationen ausgelöst.