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PUT Nr.
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FOrschungsmagazin der Bergischen Universität Wuppertal
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Sommersemester 2014
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Mit dieser Mehrfachmedikation steigt das Risiko
einer Einnahme potenziell inadäquater Arzneimit-
tel. Eine 2013/2014 durchgeführte Untersuchung des​
Bereichs Allgemeinmedizin der TU Dresden in Zu-
sammenarbeit mit dem Bergischen Kompetenzzent-
rum für Gesundheitsmanagement und Public Health
identifizierte potenziell inadäquate Medikamente
(PIM) vorzugsweise in den folgenden Wirkstoff-
gruppen: Z-Substanzen, langwirksame Benzodiazepi-
ne und Antihypertensiva (Abb. 2).
Bereits 2009 sprach daher die Gesundheitsbericht-
erstattung des Bundes die Empfehlung aus, dass nicht
mehr als vier Medikamente regelmäßig eingenommen
werden sollten.
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Bereits bei fünf Wirkstoffen sind die
Arzneimittelinteraktionen nicht mehr überschaubar
und unvorhersehbar. Gerade im Bereich der kardio­
vaskulären Erkrankungen ist die Verordnung unter-
schiedlicher Wirkstoffe jedoch per se erforderlich. Ne-
ben möglichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen
(UAW), wozu Wechsel- und Nebenwirkungen zählen,
stellen unerwünschte Arzneimittelereignisse (UAE) und
Medikationsfehler weitere Risiken bzw. mögliche Folgen
der Multimedikation dar.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die bei ca.
13% der medikamentös ambulant behandelten Patien-
ten auftreten, verursachen eine erhebliche ökonomische
Belastung
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, die Schätzungen zufolge für Deutschland bei
über 800 Millionen Euro pro Jahr liegt.
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Der häufig die Behandlung der Multimorbidität
steuernde Hausarzt übernimmt im Medikations­
management des Patienten eine ganz zentrale Funktion.
Basierend auf Patientenbedürfnissen und medizinisch-
fachlichem Abwägen potenzieller Vor- und Nachteile
E
s ist bekannt, dass Auftreten und Komplexität
von Multimorbidität mit zunehmendem Alter
steigen. Obwohl bislang keine einheitliche Definition
des Konzepts der „Multimorbidität“ hinsichtlich Art,
Anzahl und Schwere der zugrundeliegenden Erkran-
kungen existiert, besteht kein Zweifel daran, dass das
gleichzeitige Vorliegen mehrerer Leiden eine hohe ​so-
zialmedizinische und gesundheitsökonomische Bedeu-
tung hat und die Gesellschaft vor sozio-ökonomische,
medizinische sowie pf legerische Herausforderungen
stellt. Vor allem in der hausärztlichen Versorgung
steigt mit zunehmender Komplexität des Erkrankungs­
geschehens die Kontaktrate der Patienten (Abb. 1).
Internationale Studien belegen eine hohe Prävalenz
von Multimorbidität speziell innerhalb der älteren Be-
völkerung.
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In Deutschland gibt es bislang nur wenige
bevölkerungsbezogene Aussagen zur Verbreitung von
Multimorbidität. Jüngst wurde hierzu eine Studie von
van den Bussche et al. auf Basis von Krankenkassen­
daten von über 120.000 gesetzlich Krankenversicherten
über 65 Jahren veröffentlicht.
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Rund 62% der Versicher-
ten wiesen mehr als drei chronische Krankheiten auf,
wobei signifikant mehr Frauen zur Gruppe der Multi-
morbiden zählten. In der Regel kann zudem ein posi-
tiver Zusammenhang zwischen der Anzahl chronischer
Erkrankungen und der Zahl unterschiedlicher Medi-
kamentenverordnungen beobachtet werden. Untersu-
chungen des Forschungsverbundes PRISCUS ergaben
in diesem Zusammenhang, dass die von ihnen als mul-
timorbide definierten Patienten täglich durchschnittlich
sechs verschiedene Medikamente einnehmen, wobei die
Anzahl der Präparate bei den über 65-Jährigen signifi-
kant höher liegt als in der Altersgruppe unter 65 Jahren.
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aring for the elderly is uniquely dependent on
successful cooperation across numerous pro-
fessions and sectors, calling into question established
frontiers of responsibility, and demanding unhindered
communication and trust between professional groups.
To this end, the Bergisch Regional Competence Center
for Health Management and Public Health has launch­
ed a networking project centered on the development
and evaluation of integrated cross-professional medi-
cation management. The project is funded by the State
of North Rhine-Westphalia and the EU. Based on case
management, the project focuses on elderly patients
suffering from multiple – among other things cardiovas-
cular – diseases and receiving multiple medication. The
key organizational concept is being tested in the model
regions of Ahlen and Steinfurt in Westphalia, with a
view to ascertaining whether case management of this
kind can optimize the provision and management of
medication for the target group, enhance established
networks, and bundle regional competencies.
{ Integrated cross-professional medication management }
C
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Foto Andrea Damm/pixelio.de
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