Seite 22 - Output11

Basic HTML-Version

BUW.
OUT
PUT Nr.
11
FOrschungsmagazin der Bergischen Universität Wuppertal
/
Sommersemester 2014
22
kraft nutzen und dabei noch Freude am Tun entwi-
ckeln kann, wird der Erfolg am Ende wahrscheinlicher.
Die PST wurde am Beispiel der Sporttherapie für hä-
mophile Patienten entwickelt. Die Hämophilie, auch als
Blutererkrankung bekannt, ist eine x-chromosomal re-
zessive Erberkrankung, die phänotypisch fast ausschließ-
lich Männer betrifft. Ist dabei der Blutgerinnungsfak-
tor VIII betroffen, spricht man von der Hämophilie A,
beim Faktor IX von der Hämophilie B. Vor allem bei der
schweren Form der Erkrankung kommt es zu sponta-
nen Einblutungen, hauptsächlich in die großen Gelenke,
dabei Knie- und Sprunggelenk sowie Ellenbogengelenk
und zu Einblutungen auch in die Muskulatur.
Durch diese Einblutungen in die Gelenke tritt freies
Blut in das Gelenk über, dabei werden sowohl durch das
frei werdende Eisen als auch durch aktive Zellen des wei-
ßen Blutbildes immunologische Vorgänge ausgelöst, die
zu einer Zerstörung des Knorpels und zu Entzündungs-
prozessen an der Synovia (Gelenkschleimhaut) führen.
Dabei werden nicht nur eine Reihe von entzündlichen
Botenstoffen ausgesendet, die sogenannten Interleukine,
sondern es findet auch eine Neubildung von Gefäßen,
die sogenannte Neoangiogenese statt. Diese erhöht die
Vulnerabilität der Gelenkschleimhaut, was zu weiteren
gehäuften Blutungen in genau dieses Gelenk führt. Hie-
raus entwickelt sich dann das sogenannte Zielgelenk,
auch „target joint“ genannt. Am Ende dieser Vorgän-
ge steht die Zerstörung des Gelenkes mit dem Vollbild
einer hämophilien Arthropathie; siehe dazu rechtes
Kniegelenk in Abbildung 5. Hochgradig veränderte
Gelenke sind auch heute bei Patienten mit Hämophilie
nachweisbar. Bis zu den 1960er-Jahren war es Patienten
mit Hämophilie weitgehend untersagt sich sportlich zu
Die Programmierte Sporttherapie
betätigen. Ursache hierfür war die Angst vor einer Blu-
tung, die in früheren Jahren durchaus schnell zum Tode
führen konnte. Van Arsdale stellt in einer Abhandlung
von 1885 fünf Fälle von durchaus leichten chirurgischen
Eingriffen bei hämophilen Patienten dar, die teilweise
zum Tode geführt haben.
3
Heute sind vor allem in der
industrialisierten Welt Faktorenkonzentrate vorhanden,
die entweder im Bedarfsfalle (On-Demand-Therapie)
oder prophylaktisch (prophylaktische Therapie) ein-
gesetzt werden können. Die Therapie ist aber mit ei-
nem hohen finanziellen Aufwand behaftet. Die World
Federation of Hemophilia (WFH), die auch ein For-
schungsprojekt am Lehrstuhl für Sportmedizin fördert,
hat es sich zum Ziel gesetzt, möglichst vielen Patienten
weltweit eine suffiziente Therapie zugänglich zu ma-
chen, damit sich die Lebenserwartung, die sich nur in
der industrialisierten Welt weitgehend angeglichen hat,
auch weltweit erhöht.
Unter entsprechender Therapie können heutzutage
auch die Möglichkeiten des Sports oder der Sportthe-
rapie genutzt werden. Dass verschiedene konditionelle
»
Abb. 5: Deutliche hämophile
Arthropathie am rechten
Kniegelenk eines Patienten
mit schwerer Hämophilie.