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PUT Nr.
8
FOrschungsmagazin der Bergischen UniversitätWuppertal
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Wintersemester 2012/2013
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Institutionelle Erneuerung der Forschung
können, und zweitens, ob und in welchem Umfang
die Forschungskapazitäten des Establishments wei-
terverwendet werden. Diese beiden Fragen verweisen
darauf, dass der Aufbau neuer und die Weiterführung
bestehender Forschungskapazitäten zwei analytisch
unterscheidbare Prozesselemente sind. Das heißt, dass
sie sowohl zusammen als auch getrennt voneinander
auftreten können. Diese Überlegung lässt sich in Form
eines Koordinatensystems darstellen, das vier Kategori-
en umfasst. Der Aufbau neuer Forschungskapazitäten
ist auf der Y-Achse abgetragen, die Weiterverwendung
bestehender Kapazitäten auf der X-Achse (Tabelle 1).
Im Fall des Aufbaus neuer Forschungskapazitäten
bei gleichzeitiger Weiterführung der bisherigen For-
schung haben wir es mit Aufschichtung zu tun. Die
neuen innovativen Forschungsansätze werden an die
vorhandenen Institute und Forschungsgebiete angela-
gert. Wenn beim Aufbau neuer Forschungsgebiete aber
Tab. 1: Erneuerungsprozesse in der Forschung.
Tab. 1: Renewal processes in research.
Aufbau neuer
Forschungskapazitäten?
Ja
Aufschichtung
Verdrängung
Nein
Umwandlung
Auflösung
Ja
Nein
Weiter- bzw. Neuverwendung
vorhandener Forschungskapazitäten?
gleichzeitig an anderer Stelle die etablierten verkleinert
oder ganz aufgegeben werden, liegt Verdrängung vor.
In diesem Fall kommt es nur dadurch zu einer Erneue-
rung der Forschung, weil alte durch neue Strukturen
ersetzt werden. Wenn dagegen für die innovativen
Gebiete keine Ressourcen mobilisiert werden können,
sondern die vorhandenen Kapazitäten herhalten müs-
sen, haben wir es mit Umwandlung zu tun. In diesem
Fall kommt es zu einer inhaltlichen Neuausrichtung
mit Bordmitteln.
Über das Konzept von Thelen und Streeck hinaus
gibt es noch „Auflösung von Forschungskapazitäten“.
Hierbei handelt es sich um einen Erneuerungsprozess
im negativen Sinn, denn es findet ausschließlich ein
Rückbau vorhandener Arbeitsgruppen, Institute und
Forschungsgebiete statt. Bei Auflösung handelt es sich
um eine Entinstitutionalisierung.
Die vier analytischen Kategorien des Koordinaten-
systems können an einfachen Beispielen veranschau-
licht werden (Tabelle 2). Nehmen wir beispielsweise an,
dass sich die Leitung einer Universität dazu entschließt,
zwei neue Professuren in einem neuen und innovati-
ven Forschungsfeld, das hier Feld B genannt wird, zu
schaffen und zwei ausgewiesene Wissenschaftler auf
diese neuen Professuren beruft. Diese Maßnahme zielt
darauf, der Universität eine gute Startposition in Feld
B zu verschaffen. Gleichzeitig bleiben alle anderen
Professuren unverändert bestehen. Es handelt sich also
um zwei zusätzliche Professuren, die dem Bestand hin-
zugefügt werden. Ein klarer Fall von Aufschichtung.
Diese Maßnahme wird von der Leitung einer anderen
Universität beobachtet, welche sich nun ebenfalls eine
gute Startposition in Feld B verschaffen möchte. Aller-
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