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FOrschungsmagazin der Bergischen UniversitätWuppertal
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Wintersemester 2012/2013
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Konfliktpotenziale demographischer Entwicklungen
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ein großer Erfolg, denn durch die höhere Lebenserwar-
tung und die verbesserten Lebensumstände können im-
mer mehr Menschen bei doch relativer Gesundheit älter
werden. Sozio-ökonomisch gesehen stellen aber sowohl
die „jungen“ wie auch die „alten“ Gesellschaften Heraus-
forderungen größten Umfangs für ein Gemeinwesen dar.
Bevölkerungsziffern sind zudem hervorragende Indika-
toren für gesellschaftliche Entwicklungsprozesse. Sie zei-
gen, welche kulturellen Normen und Werte in einer Ge-
sellschaft vorherrschen, wie sich soziale Strukturen einer
Gesellschaft ausbilden und welchen Grad an Moderni-
sierung Gesellschaften erreicht haben. Der demographi-
sche Wandel hat darüber hinaus auch Auswirkungen auf
nahezu alle Lebensbereiche der Menschen und er wird
die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in
den nächsten Jahrzehnten erheblich beeinflussen. Der
demographische Übergang ist dabei nicht zuletzt auch
ein emanzipatorischer Übergang.
Die hier nur grob skizzierten demographischen Ent-
wicklungstrends bergen problematische und höchst
unterschiedliche Konfliktpotenziale, die seit einiger Zeit
auch in der sozialwissenschaftlichen Forschung un-
tersucht werden. Im deutschsprachigen Raum wurde
die Diskussion um demographisch bedingte Konflikt-
ursachen – wahrscheinlich aus historischen Gründen
– bislang allerdings kaum zur Kenntnis genommen. In
Bezug auf die Konfliktpotenziale demographischer Ent-
wicklungen stand im letzten Jahrzehnt v. a. die Rolle sog.
„youth bulges“ – also eines hohen Anteils junger Men-
schen (15–29 Jahre) an der Bevölkerung eines Landes
– in den Entwicklungsländern in ihren gewalt- und kon-
fliktgenerierenden Dimensionen im Zentrum des Inter-
esses. Zwar ist die Problematik eines hohen Jugendanteils
200 Mio. Menschen auf der Erde; bis zum Jahr 1750
vervierfachte sich ihre Zahl. Als Begleiterscheinung des
Industrialisierungsbooms war bereits um 1800 die ers-
te Milliarde erreicht, 1930 die zweite Milliarde, 1960 die
dritte und 1999 bereits die sechste. Es wird geschätzt,
dass sich die Weltbevölkerung bis 2050 auf 9 Milliarden
Menschen erhöht. Erst ab 2090 wird mit einer Stagnation
bzw. einer rückläufigen Weltbevölkerung gerechnet. Bis
in das 19. Jahrhundert hinein wuchs die Bevölkerung v.a.
in den Industrieländern. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts
findet das Bevölkerungswachstum beinahe ausschließ-
lich in den sog. Entwicklungsländern statt. Dieser globale
Trend beinhaltet allerdings regional und einzelstaatlich
unterschiedliche, teils gegensätzliche Entwicklungen.
Nicht alle Länder haben bereits den demographischen
Übergang geschafft; ca. ein Drittel der Länder steht hier
noch amAnfang. In einigen Ländern wird sich die Bevöl-
kerung deshalb in den nächsten 50 Jahren noch einmal
verdoppeln (u. a. in den Ländern des sub-saharischen
Afrika). In einer zweiten Gruppe von Ländern wird die
Bevölkerung bis zum Jahr 2050 zwar weiter wachsen, sich
aber nicht mehr verdoppeln (u. a. China, Indien, Indone-
sien, Bangladesch, Mexiko, USA und Frankreich). Eine
dritte Ländergruppe wird dagegen einen realen Bevölke-
rungsrückgang erleben (u. a. Deutschland, die südeuro-
päischen und einige osteuropäische Staaten). Mit diesen
Entwicklungen geht eine beträchtliche Verschiebung der
Bevölkerungsgewichte einzelner Großregionen einher.
Weltweit steht also eine Vielzahl „junger“ und „sehr jun-
ger“ Gesellschaften einer begrenzten Zahl „alter“ Gesell-
schaften gegenüber.
Die Bewertung dieses demographischen Wandels
muss zweischneidig ausfallen: Individuell gesehen ist er