Seite 50 - JM Homepage2.pdf

Basic HTML-Version

50
Dabei kann eine normale Schwankungsin-
tensität freibleiben und in Rezessionspha-
sen könnte die Steuer ausgesetzt werden,
um nicht prozyklische Impulse zu setzen.
Die Gesamtsteuerbelastung für Banken
sollte nicht steigen, die Anreize hingegen
vernünftiger werden.
Die ökonomische Begründung für eine
Instabilitäts- bzw. Volatilitätssteuer liegt
darin, dass das bankenseitige Eingehen
übergroßer Risiken auf der Jagd nach ho-
hen kurzfristigen Renditen zu einer Exis-
tenzgefährdung anderer Banken führt, da
das Vertrauen in den Bankensektor von
Anlegern und Einlegern bei einem auch
nur drohenden Konkurs einer Großbank
rasch schwindet: Hier drohen also ne-
gative externe Effekte, wie man sie etwa
bei Umweltproblemen durch Emissions-
besteuerung zu internalisieren sucht; d.h.
staatliche Steuer- bzw. Preisimpulse sol-
len das Management eben motivieren, die
wahren Kosten der Produktion in den Blick
zu nehmen – sie bestehen eben auch in
der Schädigung anderer Unternehmen
)-/(, -/(,C/RY#(-$%&, -/(, *%6%7./++/%,C/
-
sundheit von Konsumenten.
Eine Volatilitätssteuer ist eine Innovation,
die vernünftige Anreize zu mehr langfristi-
gem Denken des Managements gibt; nicht
intendiert ist hingegen, die Steuerbelas-
tung bei Banken insgesamt zu erhöhen.
Bei einer angemessenen Volatilitätssteuer
wird man auf staatliche Eingriffe in Bonus-
Regeln wohl verzichten können, denn der
Anreiz zu langfristigem Denken in Banken
wird eben massiv gestärkt.
Während man auf dem G20-Gipfel be-
schlossene gute Reformabsichten erst
langwierig auf internationaler Ebene in
komplizierten Verhandlungen durchsetzen
muss, kann jedes Land der Welt eigenstän-
dig die vorgeschlagene Volatilitätssteuer
politisch beschließen. Man mag mit Blick
auf Deutschland, Österreich und andere
EU-Länder oder die Schweiz einwenden,
dass eine Volatilitätssteuer sich nicht ohne
weiteres in die traditionelle Steuersyste-
matik einfügt, die an rein monetären Grö-
ßen ansetzt. Aber der Einwand ist letztlich
strukturkonservativ und letztlich ist eine in-
stitutionelle Innovation hier wichtig.
Ein zweites unerlässliches Reformele-
ment ist eine künftig andere Finanzierung
von Ratings. Bislang werden Ratings von
Anleihen als privates Gut organisiert, d.h.
dass etwa eine Bank geplante Emissionen
von einer Rating-Agentur gegen Entgelt in
Bezug auf ihre Ausfallsicherheit notenmä-
ßig einstufen lässt. Das schafft bekannt-
+."#,/.%/%,@%4/(/!!/%A)%^.A4,-6#.%&/#/%-9,
dass die emittierenden Banken möglichst
gute Noten haben wollen, weil dann die
zu bietenden Zinssätze im Kapitalmarkt
gering sein werden. Wie Untersuchungen
einer der US-SEC gezeigt haben, waren
die Arbeiten der führenden Rating-Agen-
turen im Zeitraum 2003-06 qualitätsmäßig
großenteils miserabel: Es besteht der Ver-
dacht, dass die an Anleihe-Emittenten ver-
gebenen Ratings allzu oft – aus durchsich-
tigen Gründen – viel zu gut und teilweise
eben willkürlich, sprich geschönt, waren.
Besser wäre es, wenn man Ratings bzw.
Informationen zum erwarteten Ausfallrisi-
ko als öffentliches Gut organisiert, bei dem
alle nutzenmäßig Begünstigten der ent-
sprechenden Informationen – letztlich alle
Anleihen emittierenden Banken und Unter-
nehmen – anteilig Gebühren in einen Pool
einzahlen, woraus dann in einem zweiten
Schritt im Ausschreibungswege eine Ra-
ting-Agentur bestimmt wird. Das brächte
ein Mehr an Wettbewerb beim Rating-Ge-
schäft, ein Aufbrechen des bisherigen Inte-
(/!!/%A)%^.A4/!,$%-,/.%/,`$6+.4Y4!EYb.&/,
deutliche Verbesserung der Ratingarbei-
ten. Die Ratings sind bei der vorgeschla-
genen Neuorganisation ökonomisch einem
Leuchtturm-Feuer zu vergleichen, das für
potenzielle Anleger korrekte Einfahr- bzw.
Warnsignale versendet, wobei jedes im
Finanzhafen anlandende Schiff über Lie-
gegebühren seinen anteiligen Beitrag zur
Finanzierung des Leuchtfeuers leistet.
Prof. Dr. P. J. J. Welfens