Seite 101 - Studienführer 2013

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Die meisten werden wohl erst einen Blick in den Atlas werfen müssen,
um in Erfahrung zu bringen, wo Kirgistan überhaupt liegt. So unbekannt
die ehemalige Sowjetrepublik in Zentralasien und ihre ca. 5,5 Millionen
Einwohner für die Mehrheit der Europäer sein mögen, so interessant
und spannend gestaltet sich der kulturelle Austausch im Rahmen des
Forschungsprojektes „Strukturen und Bedingungen des Aufwachsens“
von Prof. Dr. Doris Bühler-Niederberger und Dr. Alexandra König. Ge-
genstand der bereits 2008 ins Leben gerufenen und von UNICEF und
der Aga-Khan-Foundation getragenen Forschungsarbeit ist die frühkind-
liche Förderung in Kirgistan, die nach dem Zusammenbruch der Sowje-
tunion und dem dadurch bedingten Wegfall vieler Bildungseinrichtun-
gen enorm verbesserungswürdig ist. Die Ergebnisse der PISA-Studie
2009 unterstreichen den desolaten Zustand des kirgisischen Bildungs-
systems: In mehreren Kategorien, darunter Mathematik, Naturwissen-
schaften und Leseverständnis belegte das Land den letzten Platz.
Ein weiteres Forschungsprojekt zur Erziehung von kirgisischen Klein-
kindern startete Bühler-Niederberger Anfang 2010 in Zusammenarbeit
mit der Doktorandin Jessica Schwittek. Untersucht wird, wie kirgisische
Eltern ihre Kinder behandeln und wahrnehmen, welche Erziehungsprak-
tiken sie anwenden und welche Positionen die Kinder in der Alltagsorga-
Kindheiten in Kirgistan und
Deutschland – ein kultureller
Austausch
Von Sascha Gull, Student der Soziologie
nisation und im Haushalt einnehmen. Deutsche Studenten unterstützen
die Forscherinnen dabei in der Feldforschung, kirgisische Studenten
helfen bei Übersetzungen.
Der Mangel an kindlicher Förderung in Kirgistan wird deutlich, wenn
man bedenkt, dass nur etwa 13% der Kinder unter sieben Jahren Vor-
schuleinrichtungen besuchen. Anhand der 30-40 Fallstudien, die Kinder
zwischen zwei und sieben Jahren und ihre Familien umfassen, soll das
Miteinander der Kinder, ihre Spiele und Spielorte, ihre sozialen Netzwer-
ke sowie ihr Blick auf die eigene Lebenssituation untersucht werden.
Die Forscherinnen erhoffen sich durch die Studien neue Erkenntnisse
über den Zusammenhang von Kindheit und gesellschaftlicher Transfor-
mation und inwieweit die geänderten Strukturen des Landes nach dem
Zusammenbruch der Sowjetunion die Erziehung beeinflusst haben.
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