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BUW.
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PUT Nr.
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FOrschungsmagazin der Bergischen UniversitätWuppertal
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Wintersemester 2012/2013
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as Standardmodell der Elementarteilchenphy-
sik führt die Struktur der Materie, aus der wir
und das ganze sichtbare Universum aufgebaut sind, auf
ein klares, wohldefiniertes mathematisches Schema
von wenigen fundamentalen Teilchen zurück. Zentra-
les Element dieses Modells ist der sogenannte Higgs-
Mechanismus: ohne ihn wäre die Theorie nur bei rela-
tiv großen Abständen* gültig; bei kleineren Abständen
erhielte man unsinnige Resultate, insbesondere relati-
ve Häufigkeiten für bestimmte (Zerfalls- oder Streu-)
Prozesse, die größer sind als 100%.
Vordergründig ist der Higgs-Mechanismus nur ein
mathematischer Kunstgriff. Wie Peter Higgs in sei-
nem 1964 erschienenen Papier allerdings erstmalig
bemerkt, folgt aus ihm die Existenz eines neuen, elek-
trisch neutralen Teilchens mit Spin = 0. Die einzige
Eigenschaft dieses Teilchens, die nicht von vornherein
durch die Theorie festgelegt ist, ist seine Masse.
Seit der Entwicklung des Standardmodells durch
Steven Weinberg im Jahre 1967 (aufbauend auf einem
Modell von Sheldon Glashow) läuft die Suche nach
dem Higgs-Boson. Dessen direkter Nachweis ist eine
der vorrangigen Aufgaben des Large Hadron Collider.
Die Superlative, die mit diesem Teilchenbeschleuniger
aus experimenteller und technologischer Hinsicht ver-
bunden sind, wurden in den BUW.OUTPUT-Artikeln
von Prof. Dr. Peter Mättig (BUW.OUTPUT II/2009)
sowie Prof. Dr. Wolfgang Wagner und Prof. Dr. Chris-
tian Zeitnitz (BUW.OUTPUT 5/2011) diskutiert. In
diesem Artikel wollen wir auf die entsprechenden
theoretischen Anforderungen und Entwicklungen ein-
gehen, die bei der Suche nach dem Higgs-Boson eine
Rolle spielen.
Es mag als Kuriosität erscheinen, dass das Standard-
modell zunächst nicht besonders populär war: Wein-
bergs Papier wurde in den ersten drei Jahren nach sei-
ner Publikation ganze drei Mal zitiert. Dies änderte sich
schlagartig, als Gerard ´t Hooft und Martinus Veltman
1971 der mathematische Beweis der Schlüssigkeit des
Modells gelang: Die Zitate auf Weinbergs Papier stiegen
innerhalb eines Jahres auf knapp 200, heute sind es 8000.
Im Jahre 1979 wurden Glashow undWeinberg sowie Ab-
dus Salam (der ein zu dem von Weinberg analoges Mo-
dell gefunden hatte) für ihre Beiträge zur Entwicklung
des Standardmodells mit dem Nobelpreis ausgezeichnet;
im Jahre 1999 erhielten ihn auch ´t Hooft undVeltman.
{ Is it the Higgs boson? – The role of theory }
n July 4, 2012 ATLAS and CMS, the two big
ones among the four experiments currently
running at CERN’s Large Hadron Collider near Geneva,
announced the observation of a new particle. Prelimina-
ry measurements of its properties indicated that it might
well be the Higgs boson that has been postulated by the-
oretical physicists for some fifty years. Whether this is,
in fact, the case can only be determined by comparison
of this particle with precise theoretical calculations. UW
has played a decisive role in the ATLAS experiment.
This article describes the role of theory in the discov-
ery and measurement of the Higgs boson. Here, too, UW
physicists are closely involved.
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Abb. 1: Das „Standardmodell“ derTeilchenphysik: Bausteine der
Materie und die Kräfte, die zwischen ihnen wirken.
Quelle: DESY
Fig. 1:The ‘standard model’ of elementary particle physics: the buil-
ding blocks of matter and the forces that operate between them.
Source: DESY
* „Groß“ ist in diesem Sinne schon der Protonendurchmesser. Das Standardmo-
dell ist dagegen bei Abständen überprüft, die noch rund 10.000 Mal kleiner sind.